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Die Margiana

Gonur-depe

Gleichzeitig wurden in der Margiana, dem antiken Margusch, entlang des Murghab-Flusses und in seinen Deltafächern, weitere ausgedehnte Siedlungsbereiche entdeckt, die mit der aus Baktrien neu bekannt gewordenen bronzezeitlichen Hochkultur deutlich verwandt waren.

Hauptschwerpunkt der Grabungen waren und sind die zwei Siedlungshügel von Gonur depe-Nord und -Süd mit den zugehörigen Friedhöfen; weitere Schwerpunkte bilden z.B. die Kelleli-, Togolok-, Tachirbai-, Aučin-, Taip- und Až-i-Kui-Oase. Die Erforschung auf dem Territorium der ehemaligen sowjetischen Unionsrepubliken fand bis 1990 unter sowjetischer Regie, unter der Oberleitung von Viktor Ivanovič Sarianidi  statt. Er ist bis heute der Doyen der Erforschung der baktrischen Kultur und hat eine Vielzahl von Publikationen veröffentlicht, um dieser neuentdeckten Hochkultur internationale Bekanntheit zu verschaffen. Nach 1990 wurde die Forschungstätigkeit zunehmend von Wissenschaftlern der nun autonomen Republiken fortgeführt und, besonders in der Margiana, auch von internationalen Expeditionen ergänzt. Gerade ab den 90er Jahren konzentrierte sich die Grabungstätigkeit nahezu ausschließlich auf die Margiana, wo die verschiedenen Oasen mit ihren zentralen Orten kontinuierlich untersucht wurden. Durch großflächige Prospektionen und Ausgrabungen vor allem von Siedlungsstrukturen, konnte damit zumindest die jüngere Phase der baktrischen Kultur gut erfasst und wissenschaftlich belegt werden.

Murghabo-baktrische Kultur

Heute ist deutlich, dass sich diese neu entdeckte Hochkultur über Nordafghanistan und Ostturkmenistan, Südusbekistan sowie Südtadschikistan erstreckt. Korrekterweise spricht man daher heute auch von der Murghabo-baktrischen Kultur, in der englischsprachigen Fachliteratur bekannt als BMAC- Bactria-Margiana-Archaeological Complex. Sie erhielt ihren Namen damit nach den zwei Hauptbesiedlungsgebieten, die bisher erschlossen sind, der Margiana und Baktrien. Inzwischen weisen neuere Prospektionen im Gebiet um Herat darauf hin, dass sich das Verbreitungsgebiet dieser Kultur auch weiter nach Westen, vermutlich bis an die iranische Grenze erstreckte, ein Ergebnis, das nur logisch erscheint, da erste Untersuchungen eine enge kulturelle Verbindung zwischen dem südostiranischen Kulturraum (Kermankultur) und Baktrien konstatiert hatten, ohne dass bisher ein genauer Verbindungsweg nachgewiesen werden konnte. Die östlichsten Ausläufer dieser Kultur sind bisher am Rand des Industales, in Belutschistan, fassbar.
Diese neu entdeckte Hochkultur datiert in etwa zwischen 2500/2400 und 1800/1700 v. Chr., eine Zeitspanne, die in Vorderasien die sumerische Frühdynastisch-III-Periode, die Akkadzeit, die Ur-III-Zeit, die Isin-Larsa-Zeit und die beginnende altbabylonische Periode umfasst. Die älteste Phase, die vom Fundmaterial her die reichste gewesen zu sein scheint, und besonders starke Parallelen zu iranischen und vorderasiatischen Artefaktgruppen aufweist, datiert zwischen 2500 und 2300/2200 v. Chr. Sie lässt sich bisher vor allem aufgrund von stilistischen und typologischen Kriterien fassen und konzentriert sich auf Funde aus dem afghanischen Gebiet. Erst danach scheint sich diese Kultur nach Usbekistan und Turkmenien auszudehnen und dort den murghabo-baktrischen Kulturkomplex zu bilden, der Elemente des frühesten Baktriens mit denen der ausgehenden Namazga-Kultur Südturkmeniens verschmilzt. Zumindest für diesen Teil der murghabo-baktrischen Kultur im Tiefland ist eine Laufzeit zwischen 2300/2200 v. Chr. bis ca. 1800 v. Chr. nachweisbar. Der Endpunkt der urbanen Stufe wird in der Margiana zwischen 1800 und 1700 v. Chr. erreicht. Danach sind noch zwei Spätphasen bis ca. 1600/1500 v. Chr. mit rein dörflicher Struktur nachweisbar, die sich vor allem in den Raum Tadžikistan verlagern.

Die zeitgleiche Entwicklung in Afghanistan

Über die zeitgleiche Entwicklung in Afghanistan selbst ist so gut wie nichts bekannt, noch weniger über die Entwicklung im afghanischen Raum nach dem Zusammenbruch der urbanen Kultur in der Margiana. Die weitere Entwicklung bis in das beginnende 1. Jt. v. Chr. bleibt nach wie vor eine Forschungslücke.

Was in den nahezu 1000 Jahren in diesem Kulturraum passiert, bevor spätestens mit der baktrisch-achämenidischen Periode (ab ca. 600 v. Chr.) wieder urbane und staatliche Strukturen mit entwickelter Hochkunst archäologisch nachgewiesen sind, harrt noch der Entdeckung. Verschiedene Indizien weisen aber darauf hin, dass es keinen vollständigen Entwicklungsbruch gegeben haben kann. Dafür sprechen die Kontinuität der Handelsbeziehungen des Alten Orients in diesen Raum und der Rohstofflieferungen aus Mittelasien nach Vorderasien, Kontinuitäten in der Architektur und Glyptik, aber auch das Auftauchen von indoiranischen bzw. indoeuropäischen Völkerschaften in Iran, Anatolien und Vorderasien spätestens im 2. Jt. v. Chr. (Kassiten, Mitanni Hurriter, Hethiter) die eine hoch entwickelte Kunst in den Westen bringen, die die altorientalischen Kulturen spürbar prägt und deren Herkunft aus dem mittelasiatischen Raum nicht unwahrscheinlich ist.

 

 

© Dr. Sylvia Winkelmann Halle 25. 2. 2007