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Review I

Amrita Sher-Gil - Ein Künstlerleben zwischen Paris und Punjab - Die Entdeckung des Jahres !

Ulrike-Christiane Lintz

Eine indische Künstlerfamilie im 20. Jahrhundert

Wir begegnen einer außergewöhnlichen Künstlerin von atemberaubender Schönheit, charismatisch, selbstbewußt und hochtalentiert. Obgleich in Indien als eine der bedeutendsten Protagonistinnen der bildnerischen Moderne, auch Ikone mit Kultstatus verehrt, ist ihr Werk in Europa noch nahezu unbekannt geblieben.

Umrao Singh Sher-Gil: Amrita und Indira, 1924 - Copyright Vivan Sundaram - Courtesy Schirmer / Mosel
Umrao Singh Sher-Gil: Amrita und Indira, 1924 - Copyright Vivan Sundaram - Courtesy Schirmer / Mosel

 

Im Jahre 1941 starb Amrita Sher-Gil  bereits im Alter von 28 Jahren auf tragische Weise in Lahore, der Hauptstadt des Punjab, im damals noch ungeteilten Indien. Bereits nach ihrer ersten Ausstellung im Taj Mahal Hotel in Bombay 1936 wurde sie als Künstlerin auf dem indischen Subkontinent anerkannt und sehr verehrt. Ihre außergewöhnliche Begabung, ihre von packender Leidenschaft beseelte Schönheit, die ungarisch-indische Herkunft, ihr Charisma und ihre kompromißlos emanzipierte Sexualität machten sie schon bald zu einer Legende.

Beide Töchter der Familie Sher-Gil kamen in Budapest zur Welt. Amrita wurde am 30. Januar 1913 geboren,  im selben Jahr, als der indische Dichter, Künstler und Gelehrte Rabindranath Tagore den Literatur-Nobelpreis erhielt. Ihre jüngere Schwester Indira  erblickte ein Jahr später am 28. März 1914 die Welt.

Der Vater, Umrao Singh Sher-Gil, ein Nachkomme des Sikh-Adels, war ein Sanskrit- und Persisch-Gelehrter und widmete sich ausgiebig philosophisch-religiösen Fragen. Während seines Aufenthalts in Paris, Anfang der dreißiger Jahre, hielt er gelegentlich auch Vorlesungen an der Sorbonne. Seine Bekannten beschrieben ihn als "exzentrische(n), an Tolstoi gemahnende Figur" - dies insbesondere auf Grund seines freimütigen Bekenntnisses zu den Gedanken des russischen Literaten. (S.30).

Mit Mohammed Iqbal, dem großen Dichter des indischen Subkontinents, verband ihn eine langjährige intellektuelle Freundschaft. Politisch sympathisierte Umrao Singh Sher-Gil mit der indischen Congress Party sowie mit der nationalen antikolonialen  Freiheitsbewegung. Er korrespondierte mit Ghandi und war Jawaharlal Nehru zugeneigt. (S.157)

Ihre  Mutter - Marie Antoinette, geborene Gottesmann-Baktay - war ausgebildete Opernsängerin und von der Musik aufs äußerste fasziniert. Sie kam als Reisebegleiterin von Prinzessin Bamba (Tochter von Maharaja Duleep Singh) aus London nach Indien. Im Januar 1912 lernte sie Umrao Singh Sher-Gil in Lahore kennen. Im Dezember 1912 ging das Paar nach Budapest. Die Familie blieb bis 1921 in Ungarn und kehrte sodann nach Indien zurück, um sich in Simla niederzulassen. (S.157)

Beide Kinder erhielten eine Erziehung, wie sie für bestimmte Kreise der aufgeklärten europäischen Bourgeoisie typisch war. Ihre Muttersprache war Ungarisch.  Béla Bartók lebte im selben Haus wie die Familie Sher-Gil; Musikunterricht gehörte zum guten Ton und Amritas künstlerische Begabungen wurden sehr früh aktiv gefördert. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die Familie gezwungen bis 1921 in Ungarn zu bleiben. Nach ihrer Rückkehr nach Indien lebte die Familie in Simla, der Sommer-Hauptstadt der britischen Kolonialverwaltung mit ihrer "tonangebenden anglo-indischen Elite". (S.13)