museo-on

Direkt springen zu:
Sprache: German | English
Hauptnavigation:

Review III

Rückkehr nach Indien, 1934 ...

Als sie im Jahre 1934 die École Nationale des Beaux-Arts verlies, konnte man  in ihren Werken Spielarten des figurativen Malens erkennen, ähnlich den Formen des Realismus, der in den Zwanziger und Dreißiger Jahren wieder en vogue war. Dennoch entschied sich Amrita zur Selbstfindung als Künstlerin nach Indien zurückzukehren.
Amrita Sher-Gil, Hill Women, 1935 - Copyright National Gallery of Modern Art New Delhi - Courtesy Schirmer / Mosel
Amrita Sher-Gil, Hill Women, 1935 - Copyright National Gallery of Modern Art New Delhi - Courtesy Schirmer / Mosel

 

Ihre eigene Sicht auf diese Entscheidung übermittelt sie uns in einer ungewöhnlich exakten Bemerkung:

 "Gegen Ende 1933 befiel mich ein heftiges Verlangen, nach Indien zurückzukehren; auf eine merkwürdige, unerklärliche Art hatte ich das Gefühl, daß meine Zukunft als Malerin dort lag. Ende 1934 kehrten wir zurück. Mein Professor hatte häufig gesagt, daß ich in den grauen Ateliers des Westens nicht recht in meinem Element war, wenn er die Üppigkeit meiner Farbgebung betrachtete; daß meine künstlerische Persönlichkeit in der Farbe und dem Licht des Ostens ihre wahre Heimat finden würde. Er hatte recht, aber mein Eindruck war völlig anders als der, den ich erwartet hatte, und ging so tief, daß er noch heute anhält. Er war der Anblick eines Winters in Indien - karg und doch wunderschön-, endloser Flächen von glühendem, gelbgrauem Land, unglaublich dünner Männer und Frauen mit dunklen Leibern und traurigen Gesichtern, die sich lautlos fortbewegten, fast wie Silhouetten wirken sie, und über allem liegt eine nicht greifbare Melancholie. Es war völlig anders als das Indien, das üppige, farbenfrohe, sonnige und oberflächliche Indien, das den verlockenden Reiseplakaten, die ich zu sehen erwartete, völlig widersprach." (S.20/21)

Ananths vergleichende Ausführungen lassen uns erkennen: die Ästhetik ihrer Werke war von einer besonderen moralischen Denkweise, auch Verantwortung durchzogen und so unterschied sich Amrita von ihren "illustren" Vorgängern wie Matisse  auf seinen Reisen durch Marokko oder Gauguin in Polynesien doch sehr erheblich. (S.21)

Sie befasste sich mit dem "Leben der indischen Armen", ihrer Aussage nach ihr wichtigstes Thema.

Deepak Ananth beschreibt in seinem Essay immer wieder in einer sehr detaillierten und beeindruckenden  Art und Weise die sich ändernde Bildsprache und -qualität  im Laufe  ihrer künstlerischen  Entwicklung. Mit einem analytisch geschärften Blick vergleicht er Amritas Schaffen mit der Gauguinschen Ikonographie.

" Die schläfrige Pose - Kennzeichen (oder Stereotyp ?) der Gauguinschen Ikonographie des Idylls - verwandelt Sher-Gil in ihren frühen indischen Bildern zu einem ambivalenteren Stillstand. Sie übernimmt zwar die hieratische Feierlichkeit Gauguins, versucht "das Leben der indischen Armen" - nach eigener Aussage ihr wichtigstes Thema - aber mit eindrücklicheren Mitteln darzustellen. Aus diesem Bemühen entstanden 1935 in Simla zwei Gemälde,  Hill Men  and  Hill Women , die als ihre ersten professionellen Arbeiten gelten können. Bemerkenswert ist insbesondere die Vereinfachung und Stilisierung der Formen, die dem modernistischen Kredo der Bildgestaltung zugrunde liegen, die Sher-Gil aber erst nach ihrer Rückkehr nach Indien aufgriff."

Amrita erklärt ihre wirkliche künstlerische Intention ganz entschieden in "Trends of Art in India" wie folgt:

""Ich versuche", erklärte sie, "das Leben der einfachen Menschen, insbesondere das Leben der Armen und Bedrückten, mittels Linienführung, Farbgebung und Gestaltung zu übersetzen. Allerdings gehe ich das Problem auf der abstrakteren Ebene des rein Bildlichen an, und zwar nicht nur, weil ich Malerin bin, sondern auch, weil ich die billige emotionale Wirkung verabscheue, was eben auch bedeutet, daß ich mich nicht für Bilder stark mache, die eine Geschichte erzählen." (S.21)

Ananth beobachtet sehr genau und erkennt: obgleich Amrita beim Malen Modelle oder gestellte Szenen bevorzugte,  richtete sich ihr Interesse doch vorwiegend darauf, einen gleichermaßen emblematischen wie auch ikonischen Figurentypus zu erschaffen.(S.21 ff.)