museo-on

Direkt springen zu:
Sprache: German | English
Hauptnavigation:

"Ayryana Vaejo"

Im zweiten vorchristlichen Jahrtausend, während das Reich Elam bei Babylon eine Zivilisation entwickelte, gaben indo­europäische Eroberer der iranischen Hochebene, die sie besie­delten, ihren Namen. Das Wort »Iran« stammt von »Ayryana Vaejo«, was »Ursprung der Arier« heißt. Es waren halbnoma­dische Völker, die Vorfahren der Meder und Perser.

Die Meder gründeten dann im siebten Jahrhundert v. Chr. die erste ira­nische Nation, die später von Cyrus dem Großen zerstört wurde. Er gründete das, was im sechsten Jahrhundert v. Chr. das Perserreich wurde, eines der größten Reiche der Antike. Der Iran hieß von da an, gemäß seinem griechischen Namen, Persien, bis 1935 Reza Schah, der Vater des letzten Schahs, das Land wieder Iran nannte.

Der Iran war reich. Wegen seines Reichtums und seiner strategischen Lage wurde er ständig erobert: Von Alexander dem Großen, von den arabischen Nachbarn, von türkischen und mongolischen Herrschern. So wurde das Land häufig von fremden Mächten dominiert. Aber die persische Sprache und Kultur widerstanden den Invasionen. Die Eroberer passten sich dieser gehobenen Kultur an und wurden selbst zu Ira­nern.

Im zwanzigsten Jahrhundert brach für den Iran eine neue Ära an. Reza Schah beschloss, das Land zu modernisieren und den westlichen Industrienationen anzupassen. Unterdessen war eine neue Quelle des Wohlstandes entdeckt worden: Erdöl. Und mit dem Öl kam eine neue Form der Eroberung. Der Wes­ten, insbesondere Großbritannien, übte einen starken Einfluss auf die iranische Wirtschaft aus. Während des Zweiten Welt­krieges drängten die Briten, Sowjets und Amerikaner Reza Schah dazu, sich den Alliierten anzuschließen. Dieser aber sympathisierte mit Deutschland und erklärte den Iran zur neutralen Zone. Die Alliierten marschierten ein und besetzten das Land. Der Schah wurde ins Exil geschickt. Nachfolger wurde sein Sohn, Mohammed Reza Pahlavi, den man ganz ein­fach den Schah nannte.

Im Jahre 1951 nationalisierte der damalige Premierminis­ter Mohammed Mossadeq die Ölindustrie. Als Antwort darauf verhängten die Briten ein Embargo gegen iranisches Erdöl. Zwei Jahre später organisierte der CIA zusammen mit dem bri­tischen Geheimdienst einen Staatsstreich. Mossadeq wurde gestürzt und der Schah, der zuvor geflohen war, kam wieder an die Macht. Seine Herrschaft dauerte bis 1979, dann musste er vor der islamischen Revolution fliehen.

Seither wird diese traditionsreiche Zivilisation fast aus­schließlich mit Fundamentalismus, Fanatismus und Terro­rismus in Verbindung gebracht. Als Iranerin, die mehr als ihr halbes Leben im Iran verbracht hat, weiß ich, dass dieses Bild falsch ist. Darum war es so wichtig für mich, »Persepolis« zu schreiben. Ich glaube, dass man eine ganze Nation nicht auf­grund der Fehler einer extremistischen Minderheit verurtei­len darf. Ich will auch nicht, dass jene Iranerinnen und Iraner vergessen werden, die für die Freiheit gekämpft haben und im Gefängnis gestorben sind, die ihr Leben im Krieg gegen den Irak verloren und unter den verschiedenen repre­ssiven Systemen gelitten haben, oder gezwungen waren zu fliehen.

Man kann vergeben, aber man soll niemals vergessen.

Marjane Satrapi

Paris, September 2002

 

(Vorwort, ibid, S. 3-4)

 

UEBERREUTER

UEBERREUTER