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Das Hohelied

Das Lied der Lieder ist eine der schönsten Liebesdichtungen der Weltliteratur. In ihm verbindet sich, in einer allegorischen Lesart, die erotische Liebe mit der Liebe zu Gott. Der Tradition nach von König Salomo gedichtet, sind die Lieder erst weit später entstanden und haben nicht vor dem 4./3. Jahrhundert v. Chr. ihre endgültige Form gefunden.
Das Hohelied. Lied der Lieder von Schelomo. Mit 32 illuminierten Seiten aus dem Machsor Lipsiae. Aus dem Hebräischen übersetzt, nachgedichtet und herausgegeben von Stefan Schreiner.  Frankfurt am Main und Leipzig: Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag 2007
Das Hohelied. Lied der Lieder von Schelomo. Mit 32 illuminierten Seiten aus dem Machsor Lipsiae. Aus dem Hebräischen übersetzt, nachgedichtet und herausgegeben von Stefan Schreiner. Frankfurt am Main und Leipzig: Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag 2007
Das Hohelied erscheint hier in neuer Übertragung und ausführlich kommentiert, dazu mit den berühmten Illuminationen aus der Handschrift des Machsor Lipsiae, eines jüdischen Gebetbuches für die Jahresfeste aus dem 14. Jahrhundert.

Stefan Schreiner

seit 1992 Professor für Religionswissenschaft (mit Schwerpunkt Islam) und Judaistik und Direktor des Institutum Judaicum an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Chefredakteur der "JUDAICA - Beiträge zum Verstehen des Judentums" und Mitherausgeber der "Scripta Judaica Cracoviensia".
Tafel 25 (Bl. 129 V): Die Rosen, die als Symbol Israels gelten. Auch auf diesem Blatt ist das Motiv der Hasenjagd erkennbar. Hier jedoch "ist das Motiv bereichert und mit dem messianischen Gedanken verknüpft. Der Illustrator läßt nämlich den Hasen und den Hund auf zwei verschiedenen Rädern laufen. Dadurch unterstreicht er seine Überzeugung, daß diese Jagd eine aussichtslose Hasenjagd ist, denn trotz vieler Opfer wird der Hund den Hasen nie erreichen und bezwingen."
Tafel 25 (Bl. 129 V): Die Rosen, die als Symbol Israels gelten. Auch auf diesem Blatt ist das Motiv der Hasenjagd erkennbar. Hier jedoch "ist das Motiv bereichert und mit dem messianischen Gedanken verknüpft. Der Illustrator läßt nämlich den Hasen und den Hund auf zwei verschiedenen Rädern laufen. Dadurch unterstreicht er seine Überzeugung, daß diese Jagd eine aussichtslose Hasenjagd ist, denn trotz vieler Opfer wird der Hund den Hasen nie erreichen und bezwingen."

Daß die althebräische Poesie, die Poesie des biblischen Israel, nicht allein religiöse, sondern auch sogenannte weltliche Dichtungen kannte, steht ebenso außer Zweifel wie die Annahme, daß diese weltlichen Dichtungen wesentlich zahlreicher und vielgestaltiger gewesen sind, als es auf Grund der eher bescheiden zu nennenden Zahl und des begrenzten Umfanges der überkommenen schriftlichen Zeugnisse dieser Dichtungen den Anschein hat. Berücksichtigt man indessen, welche Bedeutung gerade Poesie und poetische Formen als Mittel des Ausdrucks für Stimmungen und Gefiihle, Wünsche und Sorgen nicht nur in der orientalischen Literatur, sondern ebenso im Alltag der Menschen bis heute haben, darf man gewiß ohne Übertreibung behaupten, daß die vergleichsweise wenigen überlieferten weltlichen poetischen Texte nur einen kleinen Ausschnitt aus einer einst reichen Fülle und Vielfalt weltlicher Dichtung, wie sie auch im biblischen Israel entstanden und gepflegt worden ist, darstellen und nur einen eher fragmentarischen Eindruck davon vermitteln können.

Immerhin berichtet die hebräische Bibel selber, von Inschriften unterschiedlichen Umfangs abgesehen das einzige Denkmal althebräischer Literatur, an vielen Stellen nicht nur von Gelegenheiten und Ereignissen, bei denen Volkslieder ihren festen Platz im Leben der Menschen hatten, sondern nennt auch einige ihrer Titel; die dazugehörigen Texte allerdings sind heute nicht mehr bekannt. Wie tief jedoch Volkslieder in der Seele der Menschen verwurzelt waren, belegt nicht zuletzt die Tatsache, daß auf manche ihrer Melodien Psalmen, gottesdienstliche Lieder und Gebete, gesungen wurden, Psalm 22 nach der Melodie von "Hirschkuh am Morgen", Psalm 45, 69 und 80 nach der Melodie von "Lilien", Psalm 46 nach der Melodie von "Junge Mädchen", Psalm 56 nach der Melodie von "Täubchen der fernen Bäume", Psalm 60 nach der Melodie von "Lilie ist Zeugnis". Aus einem "Lied von der Dirne" zitiert einmal der Prophet Jescha’jahu (Kap. 23,Vers 16) eine Strophe:

Nimm die Zither, durchstreife die Stadt,

vergeßne Dirne!

Spiel schöner, sing mehr,

damit man sich deiner erinnert!

Tafel 28 (Bl. 174r): Während die Tiersymbole aus anderen Illustrationen hinreichend bekannt sind, ist die Bedeutung des roten Elefanten unklar. E. Katz deutet sie aus einem Zitat aus dem Babylonischen Talmud (Traktat Bava Metsia, Bl. 38b): "Du bist wahrscheinlich aus Pumbeditha (Schule in Babylonien), die einen Elefanten durch ein Nadelöhr gehen lassen". Das Rot soll die Sünde symbolisieren, durch den roten Elefanten also mag der Sünder ermahnt werden, sich von seinem schlechten Weg abzukehren, andernfalls wird er die Tore des Himmels ebensowenig passieren, wie ein Elefant durch ein Nadelöhr hindurchschlüpfen kann.
Tafel 28 (Bl. 174r): Während die Tiersymbole aus anderen Illustrationen hinreichend bekannt sind, ist die Bedeutung des roten Elefanten unklar. E. Katz deutet sie aus einem Zitat aus dem Babylonischen Talmud (Traktat Bava Metsia, Bl. 38b): "Du bist wahrscheinlich aus Pumbeditha (Schule in Babylonien), die einen Elefanten durch ein Nadelöhr gehen lassen". Das Rot soll die Sünde symbolisieren, durch den roten Elefanten also mag der Sünder ermahnt werden, sich von seinem schlechten Weg abzukehren, andernfalls wird er die Tore des Himmels ebensowenig passieren, wie ein Elefant durch ein Nadelöhr hindurchschlüpfen kann.

Auch dem ebenfalls vom Propheten Jescha’jahu überlieferten "Weinberglied" (Kap. 5, Vers 1-7) liegt gewiß ein wohl gleichnamiges Volkslied zugrunde. Darüber hinaus wissen wir von der weltlichen ausgesprochenen Volkspoesie aus dem alten Israel nicht gerade viel, abgesehen selbstverständlich von der hier vorliegenden Sammlung der Liebes-und Hochzeitslieder. Daß gerade diese Sammlung überdauert hat, ist wahrscheinlich allein dem Umstand zu verdanken, daß sie in den Kanon der jüdischen Heiligen Schriften aufgenommen worden ist, den als das sogenannte Alte Testament die christliche Kirche dann übernommen hat. Die Aufnahme in den jüdischen Kanon war freilich nur möglich, weil man den Liedern eine ganz bestimmte Interpretation unterlegt und diese dogmatisch abgesichert hatte, eine Interpretation, die auch ihre Wirkungsgeschichte, ihr literarisches Nachleben ebenso wie ihre stets neue Rezeption beeinflußt und geprägt hat. Doch sei hier zunächst ein Blick auf den literarischen Charakter, die Sprache und Form der Lieder geworfen. Das setzt voraus, daß die Lieder hier als das genommen werden, was sie ihrem Wesen nach sind: orientalische Liebes- und Hochzeitslieder, die zu verschiedenen Zeiten und Anlässen gedichtet wurden und ihre Herkunft aus verschiedenen sozialen und kulturellen Milieus nicht verbergen können,(1) wenn sie auch nicht in jedem Falle mehr eindeutig bestimmbar sind. Deutliches städtisches Milieu darf man wohl als Hintergrund der Lieder Nr. VI, VII, X, XI, XII, XV, XVIII, XXIII, XXV, XXVI annehmen. Ländliches Milieu hingegen setzen die Lieder Nr. II, III, IX und XX voraus; man möchte sie geradezu der literarischen Gattung der Bukolik, der Hirtendichtung, zuordnen. (2) Wer die Lieder gedichtet hat, ist unbekannt. Daß ein Redaktor oder Herausgeber die Verfasserschaft der Lieder zu einem unbekannten Zeitpunkt dem König Schelomo (um 965 - um 926 v. Chr.) zugeschrieben hat, mag seinen Grund vielleicht darin haben, daß er einerseits die Erwähnung des Namens dieses Königs in den Liedern wörtlich aufgefaßt hat, andererseits von der Tradition her wußte, daß Schelomo "eintausendundfünf Lieder" gedichtet haben soll.(3) Beides zusammen könnte durchaus veranlaßt haben, den oder die Dichter, die uns unbekannt geblieben sind, wie es häufig bei Volksliedern der Fall ist, mit dem König Schelomo zu identifizieren. Graglich bleibt diese Konstruktion dennoch. Immerhin durften die Lieder sich infolge dieser Verfasseridentifikation - waren sie doch nun von einer so überragenden Persönlichkeit wie dem König Schelomo "autorisiert" - großer Anerkennung und Wertschätzung erfreuen. Die Lieder sind in der Gestalt, in der sie als sogenannte Hohelied Salomos in 8 Kapiteln in der hebräischen Bibel vorliegen, eine eher zufällige als planvoll konzipierte Sammlung. Zwar haben immer wieder Gelehrte bis in unsere Tage hinein zu beweisen gesucht, daß diese Liedersammlung als eine in sich geschlossene poetische Komposition angesehen werden muß; (4) doch die Ergebnisse aller dieser Bemühungen sind alles andere als überzeugend (...)

Was die Lieder verbindet, ist nicht eine einheitliche literarische Form, sondern das ihnen allen gemeinsame Thema, das uns in einer Anzahl Variationen begegnet. Liebesdichtung darf ohne Zweifel als die älteste weltliche Individualpoesie in der Menschheitskultur angesehen werden. Um so erstaunlicher ist es, wie gerade hier die Inhalte Jahrtausende überdauert und noch heute nichts von ihrer Direktheit eingebüßt haben, so daß sie auch ohne Kommentar verstebar sind. Das beweisen die Liebesdichtungen der klassischen Antike (6) nicht anders als die der Sumerer (7) oder die des alten Ägypten ((8) und des alten Israel, die wir hier vor uns haben. Die Poesie des alten Israel gehört ganz in den Bereich der alten orientalischen Kulturgeschichte; die literarischen Formen, die Bildersprache, die Art des Sichausdrückens und die Vorstellungswelt der anonymen Dichter - all das ist hier geprägt von orientalischem Kolorit. Was sich indessen hier ausspricht, sind jene Erfahrungen, Hoffnungn und Wünsche, Sehnsüchte, Ängste und Kümmernisse, die schon immer die Herzen der Liebenden bewegt haben und bewegen. In faszinierend ehrlicher Offenheit lassen die Lieder Leserinnen und Leser an ihren Stimmungen und Gemütsregungen teilhaben; und es ist gerade die Unmittelbarkeit, in der dies geschieht, die den poetisch-ästhetischen Reiz der Lieder ausmacht.

 

(Auszug aus dem Nachwort, ebd., S.71-76)


1 Yair Zakovitch, Das Hohelied - Herders theologischer Kommentar zum Alten Testament, Freiburg / Basel / Wien 2004, S. 87-90.

2 vgl. Bernd Effe, Antike Hirtendichtung. Eine Einführung in die griechische und römische Bukolik, Düsseldorf / Zürich 2000.

3 1 Kön 5,12.

4 M. Timothea Elliott, The Literary Unity of the Canticle, in: European University Studies Ser. XXIII Theology, Bd. 371, Frankfurt / Main etc. 1989.

6 Eine Auswahl in: Horst Gasse (Hg.), Die Liebesdichtung der Griechen und Römer, Sammlung Dieterich Bd. 141, Leipzig 1963 (Neuausgabe: Liebesdichtung der Antike, Köln 2007), und: Michael Schroeder (Hg.), Die schönsten Liebesgedichte der Antike, insel taschenbuch 3163, Frankfur t/ Main 2005.

7 Eine Auswahl in: A. Falkenstein & Wolfram v. Soden, Sumerische und akkadische Hymnen und Gebete, Zürich / Stuttgart 1953.

8 Eine Auswahl in: Hannelore Kischkewitz (Hg.), Liebe sagen. Lyrik aus dem ägyptischen Altertum, Reclams Universalbibliothek Bd. 545, Leipzig 1973; Michael V. Fox, The Song of Songs and he Ancient Egyptian Love Songs, Madison, Wis. 1985; H. A. Schlögl, Gärten der Liebe. Lyrik aus der Zeit der Pharaonen, Düsseldorf 2000.

 

Verlag der WELTRELIGIONEN

Leseprobe
Pressestimmen
»Stefan Schreiners Übersetzung und Kommentierung des 'Hohen Liedes' schließlich präsentiert einen der schönsten Texte der Bibel nicht nur als religiösen Text, sondern immer auch als eine Liebesdichtung, die eine große Nähe zu jenen Formen orientalischer Poesie aufweist, die uns etwa in den 'Geschichten von tausendundeiner Nacht' begegnen.« Hanns-Josef Ortheil