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Einführung

 

Der weitgehend unzerstörte jüdische Friedhof von Georgensgrnünd in Mittelfranken mit seinen fast 1800 erhaltenen Steinen aus fünf Jahrhunderten wurde aus den weit über hun­dert historischen jüdischen Friedhöfen im heutigen Bayern für eine Inventarisation ausgewählt, weil er einen repräsenta­tiven Querschnitt durch Grabschrift und Grabmalkunst des deutschen ländlich-kleinstädtischen Judentums bietet, wie er nicht oft zu finden ist.

 

Abb. VII: Südteil des NeuenFriedhofs von Nordosten, im Vordergrund die erste, 1844 angelegte Gräberreihe (Steine Nrn. 1198-1213, v. l. n. r.); rechts Stein mit skulpiertem Löwenpaar: Nr. 1285 (1856); ebd., S.99.
Abb. VII: Südteil des NeuenFriedhofs von Nordosten, im Vordergrund die erste, 1844 angelegte Gräberreihe (Steine Nrn. 1198-1213, v. l. n. r.); rechts Stein mit skulpiertem Löwenpaar: Nr. 1285 (1856); ebd., S.99.
Das vordringlichste Ziel war dabei von Anfang an die Auf­nahme der zunehmend von Verwitterung bedrohten, meist hebräischen Grabinschriften. Sie wurden vom Autor in den Jahren 1991 bis 1995 am Original in jeweils mehreren Arbeits­gängen erfasst und in den Folgejahren im Licht neuer Er­kenntnisse korrigiert und ergänzt. Wegen des religionsgesetz­lichen Gebots, die imrnenwährendeTotenruhe zu wahren, das streng ausgelegt wurde, konnte nur der über der Erdober­fläche befindliche Teil der Grabinschriften entziffert werden. Aus dem gleichen Grund konnten umgefallene und jetzt von Rasen bedeckte Steine oder Steinfragmente, bei sommer­licher Trockenheit durch Bodenverfärbungen erkennbar, nicht geborgen und inventarisiert werden.
Abb. IV: Westlicher Teil des Alten Friedhofs mit Steinen aus der 1. Hälfte des 19. Jhs. in traditionell schlichten, vereinzelt bereits in klassizistischen Formen; im Vordergrund links: Nr. 1006 (um 1825), rechts: Nr. 1007 (um 1826); ebd., S. 98.
Abb. IV: Westlicher Teil des Alten Friedhofs mit Steinen aus der 1. Hälfte des 19. Jhs. in traditionell schlichten, vereinzelt bereits in klassizistischen Formen; im Vordergrund links: Nr. 1006 (um 1825), rechts: Nr. 1007 (um 1826); ebd., S. 98.
Für die Entzifferung stellten die Photographien der Grab­steine nur eine begrenzte Hilfe dar, da sie, selbst bei günstigem Lichteinfall aufgenommen, den Augenschein nicht ersetzten, um die Schrift einwandfrei lesen zu können.Von den übrigen Hilfsmitteln zur Entzifferung verwitterter Inschriften war das eine oder andere Mal das Übergießen eines Steins mit Wasser erfolgreich, da dies, besonders beim Trocknen, die Konturen stärker hervortreten ließ und zugleich die Oberfläche schonte. Gelegentlich wurde ein alter Rat erfolgreich befolgt, der in einem 1925 von Berlin aus versandten Merkblatt für die Auf­nahme von Grabstein-Inschriften auf jüdischen Friedhöfen gefunden wurde: „Schwer lesbare und verwitterte Stellen kön­nen mit dem Finger auf dem Grabstein nachgefühlt werden." Die in der Epigraphik üblichen Methoden der Abreibung und des Abklatsches wurden versuchsweise angewandt. Sie erwie­sen sich beim Burgsandstein, aus dem die meisten der Grab­mäler des Alten Friedhofs bestehen, wegen dessen starker Ver­witterung und poröser Struktur als unbrauchbar. Bei der an­deren in diesem Teil des Friedhofs vertretenen Gesteinssorte, dem Plattenkalk, war wegen dessen geringer Oberflächen­verwitterung die Schrift auch ohne Hilfsmittel gut lesbar.
Abb. IX: Grabstein Nr. 1429 (1877), Detail: Der feinkörnige, hellockergelbe Eisensandstein des Braunen Jura ß ist durch rötlichbraune Limonitausscheidungen gebändert (Aufn. 1999, W.-D. Grimm); ebd., S. 219.
Abb. IX: Grabstein Nr. 1429 (1877), Detail: Der feinkörnige, hellockergelbe Eisensandstein des Braunen Jura ß ist durch rötlichbraune Limonitausscheidungen gebändert (Aufn. 1999, W.-D. Grimm); ebd., S. 219.

Für die Entzifferung stellten die Photographien der Grab­steine nur eine begrenzte Hilfe dar, da sie, selbst bei günstigem Lichteinfall aufgenommen, den Augenschein nicht ersetzten, um die Schrift einwandfrei lesen zu können.Von den übrigen Hilfsmitteln zur Entzifferung verwitterter Inschriften war das eine oder andere Mal das Übergießen eines Steins rnit Wasser erfolgreich, da dies, besonders beim Trocknen, die Konturen stärker hervortreten ließ und zugleich die Oberfläche schonte. Gelegentlich wurde ein alter Rat erfolgreich befolgt, der in einem 1925 von Berlin aus versandten Merkblatt für die Auf­nahme von Grabstein-Inschriften auf jüdischen Friedhöfen gefunden wurde: „Schwer lesbare und verwitterte Stellen kön­nen mit dem Finger auf dem Grabstein nachgefühlt werden." Die in der Epigraphik üblichen Methoden der Abreibung und des Abklatsches wurden versuchsweise angewandt. Sie erwie­sen sich beim Burgsandstein, aus dem die meisten der Grab­mäler des Alten Friedhofs bestehen, wegen dessen starkerVer­witterung und poröser Struktur als unbrauchbar. Bei der an­deren in diesem Teil des Friedhofs vertretenen Gesteinssorte, dem Plattenkalk, war wegen dessen geringer Oberflächen­verwitterung die Schrift auch ohne Hilfsmittel gut lesbar.

Die Aufnahme der Steine erfolgte zunächst nach einem einfachen Plan, der 1988/89 von dem Heimatforscher Friedrich Glenk (s. u. S. 145) mit einer Schrittvermessung begonnen und vom Verfasser 1992 nach der Methode der einfachen trigonometrischen Vermessung vervollständigt wurde. 1996 erstellte dann das Vermessungsamt Schwabach einen exakten Plan auf der Grundlage einer Tachymetervermessung mit modernem Gerät, bei der die beiden Mittelpunkte der Schmalseiten auf der Oberseite des Steins jeweils als Fixpunkte dienten und die Verbindungslinie beider die Länge des Steins und zugleich seine Position inmitten der übrigen Grabsteine bezeichnete. Dieser Plan bildete forthin die Arbeitsgrundlage; nach ihm wurde die endgültige Nummerierung der Steine vorgenommen. Er ist als Grundplan (Plan Nr.1) und in verschiedenen Ausführungen (Pläne Nrn, 2-4), die unter wechselnden Gesichtspunkten der Belegung - historische Abfolge der Gräber, Herkunftsort und Geschlecht bzw. Stand der Begrabenen - erstellt wurden, dem vorliegenden Band beigefügt.

Abb. X: Grabstein Nr. 1216 (dat. 1849), Detail: Bei dem aus rotem Knollenkalk des alpinen Juras gefertigten Stein handelt es sich  um eine sehr gute, weitgehend verwitterungsresistente Varietät wohl aus dem Lienbacher Bruch des Adneter Reviers südlich von Salzburg. Die ungewöhnlich frühe Verwendung dieses Fremdmaterials wie auch einige stilistische Merkmale deuten darauf hin, dass der Stein nicht 1849, sondern zu einem späteren Zeitpunkt errichtet worden ist.- Die Mergelhüllen um die Kalkknollen sind dünn; in Folge ihrer Rückwitterung und ihrer roten Farbe sind sie deutlich unterscheidbar von den nur gering aufgerauten und stark gebleichten Kalkknollen (Aufn. 2001, W.-D. Grimm); ebd., S. 219.
Abb. X: Grabstein Nr. 1216 (dat. 1849), Detail: Bei dem aus rotem Knollenkalk des alpinen Juras gefertigten Stein handelt es sich um eine sehr gute, weitgehend verwitterungsresistente Varietät wohl aus dem Lienbacher Bruch des Adneter Reviers südlich von Salzburg. Die ungewöhnlich frühe Verwendung dieses Fremdmaterials wie auch einige stilistische Merkmale deuten darauf hin, dass der Stein nicht 1849, sondern zu einem späteren Zeitpunkt errichtet worden ist.- Die Mergelhüllen um die Kalkknollen sind dünn; in Folge ihrer Rückwitterung und ihrer roten Farbe sind sie deutlich unterscheidbar von den nur gering aufgerauten und stark gebleichten Kalkknollen (Aufn. 2001, W.-D. Grimm); ebd., S. 219.

Eine photographische Aufnahme sämtlicher Grabsteine er folgte bereits im Jahr 1991. In den Jahren 1999-2005 wurden diejenigen Bilder ersetzt,die für eine Publikation ungenügend erschienen. Einige, freilich nur wenige historische Aufnahmen konnten in Archiven aufgefunden werden; sie sind im vorlie­genden Band fast ausnahmslos publiziert. Dagegen war es schon aus Platzgründen nicht möglich, alle auf dem Friedhof vorhandenen Grabsteine abzubilden. Das hätte bei deren oft­maliger Einförmigkeit außerdem keinen Gewinn erbracht. Die umfassende Bilddokumentation sämtlicher Steine kann jedoch jederzeit in der umfangreichen Dokumentation des Friedhofs eingesehen werden, die im Photoarchiv des Bayeri­schen Landesamts für Denkmalpflege aufbewahrt wird. Im­merhin konnten im vorliegenden Band rund 600 Grabmäler, ein gutes Drittel des Gesamtbestands, einzeln oder, seltener, in Gruppenaufnahmen abgebildet werden. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, dass alle für den Friedhof charakteri­stischen Steine mit wenigstens einem Beispiel und alle einzel­nen historisch, kunsthistorisch oder geologisch wichtigen Grabmäler im Bild erscheinen.

Das Vorhaben, den im Katalogteil des Bandes vollständig wiedergegebenen hebräischen Inschriftentexten jeweils eine deutsche Übersetzung beizufügen, wurde bald aufgegeben. Eine solche Übersetzung hätte nicht nur den Umfang eines einzigen Bandes gesprengt, sondern schien bei der Mehrzahl der Inschriften wenig sinnvoll, da sich in ihnen bestimmte Formeln stereotyp wiederholen. Bei einer Anzahl von Texten, vor allem bei den barocken Elegien, die komplexe Kunst­werke darstellen, war dagegen eine philologisch exakte und zugleich dichterisch adäquate Übertragung wiederum nur schwer möglich.

Abb.XIX: Die aus Hyperit-Diabas "Schwarz-Schwedisch" gefertigten Obelisken  Nr. 1539 (links) und 1540 (rechts), beide von 104, haben aucxh nach einer Exposition von einem Jh. noch unverändert die ursprüngliche Politur bewahrt. Das Denkmal rechts zeigt im polierten schwarzen Korpus rau geschliffene und dadurch deutlich hellgrau abgehobene Felder und Rahmungen. - Bei beiden Denkmälern wie auch bei den Obelisken im Hintergrund bestehen die Basisblöcke aus rauem hellgrauen Granit, links mit der damals modichen Vortäuschung eines Bossen-Mauerwerks (Aufn. 2000,W.-D- Grimm); ebd., S. 221.
Abb.XIX: Die aus Hyperit-Diabas "Schwarz-Schwedisch" gefertigten Obelisken Nr. 1539 (links) und 1540 (rechts), beide von 104, haben aucxh nach einer Exposition von einem Jh. noch unverändert die ursprüngliche Politur bewahrt. Das Denkmal rechts zeigt im polierten schwarzen Korpus rau geschliffene und dadurch deutlich hellgrau abgehobene Felder und Rahmungen. - Bei beiden Denkmälern wie auch bei den Obelisken im Hintergrund bestehen die Basisblöcke aus rauem hellgrauen Granit, links mit der damals modichen Vortäuschung eines Bossen-Mauerwerks (Aufn. 2000,W.-D- Grimm); ebd., S. 221.

Um die hebräischen Texte dennoch ausreichend zu er­schließen, wurde folgender Weg beschritten: Im Katalogteil des Bandes (S.373-680) werden in der Überschrift zu jeder einzelnen Steinaufnahrne jeweils alle geschichtlichen Daten genannt, die sich in der Grabschrift selbst finden, ergänzt durch (in Klammern beigefügte) Angaben aus archivalischen Quellen, vor allem aus den Sterbelisten des 19. Jahrhunderts. Außerdem wurde in den Aufsatzteil des Bandes eine umfas­sende Untersuchung über „Entwicklung, Sprache und Men­schenbild der Grabinschriften" aufgenommen. Diese enthält exemplarische Übersetzungen von rund 50 repräsentativen hebräischen Inschriften, darunter auch Übertragungen von einem guten Dutzend barocker Elegien. Am Ende des Bei­trags wird eingehend das spannungsreiche Verhältnis der hebräischen zu den deutschen Inschriften im 19. und 20. Jahr­hundert behandelt.

Stein Nr. 1 ( am ursprünglichen Standort erhaltener Stein; Aufn. 2000): Levit Samuel, 1. Hälfte 17. Jh. (Abb). Querformatiger Stein mit leicht abgewitterten Ecken. Eingetieftes, steil rundbogig geschlossenes Schriftfeld mit waagrechter hebr. Inschrift. Eingetiefte Bogenzwickel in den oberen Ecken, darunter auf dem Außenrand beidseitig runde Ornamente eingeritzt. Im Bogenfeld z.T. über der Inschrift, z.T. von ihr flankiert, schlanke Levitenkanne in Dreiviertelrelief. Fast völlig eingewachsen bzw. zugeschüttet. Grobkörniger Burgsandstein. Sehr stark abgewittert. H: 43 cm; B: 83 cm: T: 14 cm.; ebd., S. 375.
Stein Nr. 1 ( am ursprünglichen Standort erhaltener Stein; Aufn. 2000): Levit Samuel, 1. Hälfte 17. Jh. (Abb). Querformatiger Stein mit leicht abgewitterten Ecken. Eingetieftes, steil rundbogig geschlossenes Schriftfeld mit waagrechter hebr. Inschrift. Eingetiefte Bogenzwickel in den oberen Ecken, darunter auf dem Außenrand beidseitig runde Ornamente eingeritzt. Im Bogenfeld z.T. über der Inschrift, z.T. von ihr flankiert, schlanke Levitenkanne in Dreiviertelrelief. Fast völlig eingewachsen bzw. zugeschüttet. Grobkörniger Burgsandstein. Sehr stark abgewittert. H: 43 cm; B: 83 cm: T: 14 cm.; ebd., S. 375.

Zusätzlich zu den Angaben in den Überschriften der Stein­aufnahmen des Katalogs sind am Ende der Steinbeschreibung in begründeten Einzelfällen kurze Informationen zur Person des Bestatteten angefügt. Eine genealogische Einordnung der Verstorbenen konnte aus Gründen der Arbeitsökonomie und des Bandumfangs nicht vorgenommen werden, obwohl dem Verfasser, jedenfalls für das 19. und 20. Jahrhundert, dafür reichliches Material zur Verfügung gestellt wurde. Sie war auch gar nicht das Ziel der vorliegenden Inventarisation. Die­se soll und kann die Familienforschung nicht ersetzen, son­dern ihr vielmehr durch die Erschließung der „steinernen Archive" der Grabmäler nach dem oftmaligen Verlust der Archivalien aus Pergament und Papier eine entsprechende Hilfe bieten.

Ein besonderes Problem stellte die Identifizierung der über­aus zahlreichen Zitate aus der Traditionsliteratur dar, aus de­nen die barocken Elegien manchmal geradezu zusammenge­setzt erscheinen. Diese Zitate fehlen in kaum einer hebräi­schen Grabschrift, ohne jedoch jemals im Original als solche kenntlich gemacht zu sein. Sie werden mit ihren Fundstellen in Anmerkungen zum jeweiligen Text genannt, ohne dass da­bei Vollständigkeit zu erreichen gewesen wäre. Ein Überblick über die Verwendung aller in den Inschriften festgestellten Zitate konnte aus Raumgründen nicht geboten werden. Es sei jedoch in diesem Zusammenhang auf die Liste von charakte­ristischen Zitaten aus der Traditionsliteratur verwiesen, die in den Inschriften des Friedhofs oftmals vorkommen und des­halb in den Anmerkungen des Katalogs nicht jeweils einzeln genannt sind (S. 373f.), sowie auf den Exkurs „ Die Nennung biblischer Vorbilder in den Eulogien", der in die Abhandlung über die Entwicklung der Grabinschriften eingefügt ist (S. 281-284).

Abb. XVIII: Grabsteine aus Burgsandstein, untergeordnet auch Solnhofener Plattenkalkstein, auf dem Alten Teil des Friedhofs: Viele der aus Burgsandstein gefertigten Denkmäler zeigen eine Besiedlung durch schwefelgelbe Flechten, oft selektiv angereichert in der feuchten, salzhaltigen Zone des Kapillarwasserbereiches (im Vordergrund v. l. n. r. Nrn. 317-320; dahinter Reihe mit Nrn. 336-341);  (Aufn. 2000, W.-D. Grimm); ebd., S. 221.
Abb. XVIII: Grabsteine aus Burgsandstein, untergeordnet auch Solnhofener Plattenkalkstein, auf dem Alten Teil des Friedhofs: Viele der aus Burgsandstein gefertigten Denkmäler zeigen eine Besiedlung durch schwefelgelbe Flechten, oft selektiv angereichert in der feuchten, salzhaltigen Zone des Kapillarwasserbereiches (im Vordergrund v. l. n. r. Nrn. 317-320; dahinter Reihe mit Nrn. 336-341); (Aufn. 2000, W.-D. Grimm); ebd., S. 221.
 

Verzichtet werden musste auch auf eine Zusammenstellung und Analyse der hebräischen Schrifttypen auf den Grabstei­nen. Soweit hier, wie in vielen Fällen aus der älteren Zeit, nicht eine einfache, mehr oder weniger individuelle Block­schrift laienhaft eingehauen wurde, haben die Steinmetze bzw. diejenigen, die ihnen die Vorlagen lieferten, deutlich For­men der hebräischen Kalligraphie auf Papier oder Pergament, vielleicht auch solche des Buchdrucks, übernommen. Da je­doch die Geschichte dieser Schriftformen, die sich im Laufe der Neuzeit beträchtlich wandelten, bis heute nur ungenü­gend erforscht ist, fehlt eine zureichende Grundlage für die Bestimmung der Buchstabenformen auf den Grabsteinen.

Bei einem Inventarband der Reihe der „Kunstdenkmäler von Bayern" verstand es sich von selbst, dass jeder Grabstein durch eine eingehende kunsthistorische Beschreibung ein­schließlich einer Einzelvermessung erfasst wurde. Diese Be­schreibung der Steine schließt im Katalog jeweils an die Über­schrift mit den biographischen Angaben an. Auf ihrer Grund­lage wurde dann ein zusammenfassender Beitrag über die „Kunsthistorische Einordnung und Würdigung der Grabstei­ne" erarbeitet, der als Versuch zu werten ist, da gerade auf dem Gebiet der jüdischen Friedhofskunst bisher nur wenig Vorar­beit geleistet wurde. Dem genannten Artikel folgt eine lnven­tarisation des Tahará-(Reinigungs-) Hauses von 1723 und der historischen Umfassungsmauern des Friedhofs. Die genannte kunsthistorische Inventarisation der Grabsteine und des Friedhofs wurde von Mitarbeitern des Landesamts vorge­nommen, während alle anderen Arbeiten von nicht dem Amt angehörenden Kräften durchgeführt wurden.

Die Inventarisation der Grabmäler erstreckte sich auch auf eine vollständige Erfassung der Gesteine, aus denen sie jeweils bestehen. Die Steinsorte eines Grabmals ist für seinen gegen­wärtigen Zustand von Bedeutung, da sie entscheidend den Grad seinerVerwitterung bestimmt. Dann ist die Verwendung verschiedener Gesteine auch von großer sozial- und kultur­geschichtlicher Relevanz, dies bereits im 17. und 18. Jahrhun­dert, viel mehr jedoch noch in den beiden folgenden Jahr­hunderten, in denen an die Stelle einheimischer Materialien eine Vielzahl von Denkmalgesteinen aus anderen Regionen und Ländern tritt. Im Katalog folgt die Bestimmung der Steinsorte unmittelbar auf die kunsthistorische Beschreibung der Steinform. In einem eigenen Beitrag über „Die Denk­malgesteine des jüdischen Friedhofs von Georgensgmünd" wurden dann die Ergebnisse zusammengefasst und hinsicht­lich der Herkunft der Gesteine und der vielfältigen Ursachen ihrer wechselnden Verwitterung behandelt.

Abb. XXII: Das Bild zeigt in der vorderen, von 1889 bis 1893 errichteten Reihe von rechts nach links die Rückseiten der Denkmäler Nrn. 1504 bis 1507 aus olivgrauem Schilfsandstein, daneben Nr. 1508 aus Buntsandstein und Nr. 1509 wiederum aus Schilfsandstein, sodann Nrn. 1510 bis 1512 aus gelbem Eisensandstein. - Lediglich die Denkmäler aus dem tonhaltigen Schilfsandstein zeigen den charakteristischen Bewuchs durch Krustenflechten, angeordnet zu bunten Mosaiken. Dagegen sind der Bundsandstein und der Eisensandstein kaum von Mikroorganismen besiedelt. - Die gleiche Differenzierung ist auch in der hinteren Reihe erkennbar (Aufn. 2001, W.-D. Grimm); ebd. S. 221.
Abb. XXII: Das Bild zeigt in der vorderen, von 1889 bis 1893 errichteten Reihe von rechts nach links die Rückseiten der Denkmäler Nrn. 1504 bis 1507 aus olivgrauem Schilfsandstein, daneben Nr. 1508 aus Buntsandstein und Nr. 1509 wiederum aus Schilfsandstein, sodann Nrn. 1510 bis 1512 aus gelbem Eisensandstein. - Lediglich die Denkmäler aus dem tonhaltigen Schilfsandstein zeigen den charakteristischen Bewuchs durch Krustenflechten, angeordnet zu bunten Mosaiken. Dagegen sind der Bundsandstein und der Eisensandstein kaum von Mikroorganismen besiedelt. - Die gleiche Differenzierung ist auch in der hinteren Reihe erkennbar (Aufn. 2001, W.-D. Grimm); ebd. S. 221.

In einem gesonderten Beitrag werden „Tod, Bestattung und Friedhof im fränkischen Landjudentum" dargestellt, obwohl diese Thematik weit über den Rahmen eines Inventars hin­auszureichen scheint. Viele Gegebenheiten des Friedhofs wie etwa die Bedeutung des Grabsteins, die Anordnung der Grä­ber oder die wichtige Funktion des Taharáhauses sind ohne eine eingehende Erläuterung der weithin unbekannten jüdi­schen Bestattungsriten kaum zu verstehen. Darüber hinaus ist auch zu beobachten, dass in den zahlreichen in den letzten beiden Jahrzehnten erschienenen Bänden, die jüdische Fried­höfe in Deutschland behandeln, das jüdische Brauchtum in Bezug auf Tod, Bestattung und Trauer nur ganz undifferenziert und ohne den notwendigen Rückgriff auf Quellen dargestellt wird. Es wurde daher versucht, die charakteristischen Züge der jüdischen Bestattungskultur einer Region aus z.T. abgele­gener, noch wenig ausgewerteter hebräischer und jüdisch­ deutscher Literatur vor allem des 18. Jahrhunderts herauszuar­beiten. Dabei wurde, als einem von der Volkskunde vernach­lässigten Gebiet, auch dem Volksaberglauben der Christen in Bezug auf Tod, Bestattung und Friedhof der ihnen so fremden und damit unheimlichen Juden Aufmerksamkeit gewidmet.

Als notwendiger Bestandteil des Inventars war ein detaillierter geschichtlicher Abriss gefordert, in dem die Umstände der Entstehung und der Entwicklung des Friedhofs über die Jahrhunderte hinweg geschildert werden, da sich daraus seine heutige Gestalt wesentlich erklärt. Sein wechselvolles Schick­sal spiegelt zudem in eminenter Weise dasjenige des Juden­tums in der Region wider. Nachdem sehr viele Originalquel­len in Bezug auf die Geschichte des Friedhofs, darunter das Begräbnisbuch und die älteren Akten der Begräbnisgenossen­schaften, wohl unwiederbringlich verloren sind, mussten für diese Darstellung Quellen aus weit verstreuten Archiven zu­sammengesucht werden:

Ausgewertet wurden vor allem die Bestände der Central Archives for the History of the Jewish People in Jerusalem. Auch die jetzt im Archiv des Centrum Judaicum in Berlin zu­gänglichen Teile des früheren Gesamtarchivs der deutschen Juden erwiesen sich als reichhaltig. Dagegen brachten Nach­forschungen im Archiv des Leo Baeck Institute in NewYork und in den Yad Vashem Archives in Jerusalem nur wenige Ergebnisse.

 

Abb. 6: Der Verstorbene im Sterbehaus, vom Bett abgehoben und auf Stroh gebettet, zu seinen Häupten eine Lampe, Trauernde auf dem Boden sitzend. Das Waschgefäß und die mit Reinigungsgegenständen Hereintretenden deuten auf die bevorstehende Tahará (Kupferstich von I. C. Müller aus Bodenschatz: Verfassung, 1749; ebd., S. 315.
Abb. 6: Der Verstorbene im Sterbehaus, vom Bett abgehoben und auf Stroh gebettet, zu seinen Häupten eine Lampe, Trauernde auf dem Boden sitzend. Das Waschgefäß und die mit Reinigungsgegenständen Hereintretenden deuten auf die bevorstehende Tahará (Kupferstich von I. C. Müller aus Bodenschatz: Verfassung, 1749; ebd., S. 315.

Im Staatsarchiv Nürnberg fanden sich die für die Frühgeschichte des Friedhofs wichtigen Quellen, im Archiv des Landesverbands der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern in München die im I9. Jahrhundert von den jüdischen Gemeinden angelegten Sterbelisten. Mit wechselndem Erfolg wurden die Archive derjenigen mittelfränkischen Orte ausge­wertet, deren jüdische Bewohner hauptsächlich auf dem Friedhof beerdigten und die einst alle zum Fürstentum Ansbach gehörten. Dabei handelte es sich um die Ortstarife von Schwabach, Thalmässing, Roth, Georgensgmünd und Windsbach; in Georgensgmünd kam das Archiv des evange­lisch-lutherischen Pfarramts hinzu. Zur Klärung der Ge­schichte der im Herzogtum Pfalz-Neuburg lebenden Juden Hilpoltsteins, die ihre Toten bis 1741 in Georgensgmünd be­statteten und auch deswegen, weil die Leichenzüge der ans­bachischen Juden von Thalmässing dieses Territorium auf dem Weg nach Georgensgmünd zu durchqueren hatten, wurden das Bayerische Hauptstaatsarchiv und das Staatsarchiv Amberg aufgesucht. Schließlich wurden dem Verfasser auf einzelne Nachfragen hin wertvolle Nachrichten aus dem Stadtarchiv Ansbach, dem Diözesanarchiv Eichstätt sowie dem Stadt- und dem Pfarrarchiv von Hilpoltstein übermittelt.

Einige Fragen konnten durch Gespräche mit dem 2004 in Israel verstorbenen wohl ältesten früheren jüdischen Bürger Georgensgmünds, Fritz Joseph Heidecker, mit älteren Orts­einwohnern und mit jüdischen Freunden und Bekannten, de­ren Vorfahren auf dem Friedhof ruhen, geklärt werden. Als wegen der Materialfülle schwer zu erschließende, jedoch un­verzichtbare historische Quelle erwiesen sich jüdische Zei­tungen und Zeitschriften des 19. und 20. Jahrhunderts aus dem deutschen Sprachraum. Unter den rund zwanzig voll­ständig durchgesehenen Periodika befanden sich die „Allge­meine Wochenzeitung des Judentums" und vor allem der „Is­raelit", das Wochenblatt der deutschen konservativen Juden, das in den Gemeinden, die in Georgensgmünd beerdigten, vorzugsweise gelesen wurde. In ihm fand sich u. a. eine Reihe von wertvollen Nekrologen. Nur mit Hilfe eines solchen Nachrufs war es z. B. möglich, einen Grabstein (Nr. 37), dessen Inschrift heute fehlt, dem Begründer der orthodoxen Sonder­gemeinde Nürnbergs zuzuweisen.

In einer kurzen Darstellung wird einleitend die Geschichte und Topographie der jüdischen Gemeinden skizziert, die in Georgensgmünd beerdigten, um das historische und geogra­phische Bezugsfeld des Friedhofs in den Blick zu bekommen. Wie schon für die Schilderung der Friedhofsgeschichte konn­te auch für diese Darstellung kein Autor gewonnen werden, der auf dem Gebiet der Geschichte des süddeutschen Judentums in der Neuzeit ausgewiesen war. So übernahm der Ver­fasser, beraten von Fachhistorikern, die beiden Aufgaben.

Abb. 7: Klassifikationsplan, um 1826 (nicht datiert): Beginn der "Franken- oder Judengasse" bei Beerbach (Ortsrand in der Bildecke links oben). Die Straße nach Obersteinbach ist die zweite, die von der "Franken- oder Judengasse" abzweigt. An dieser grenzen nördlich die "Judenstrass-Aecker", südlich der Waldstücke Nr. 536 und Nr. 535, die im Kataster als "Großes Judenstrassholz" bzw. als "Kleines Judenstrassholz" eingetragen sind. Der links an beiden Waldstücken entlang laufende, in Nr. 535 endende Waldweg Nr. 536 1/2 ist im Kataster als "Judenholzweg" eingetragen (Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Sign. L Verm A Nr.3; ebd., S. 58.
Abb. 7: Klassifikationsplan, um 1826 (nicht datiert): Beginn der "Franken- oder Judengasse" bei Beerbach (Ortsrand in der Bildecke links oben). Die Straße nach Obersteinbach ist die zweite, die von der "Franken- oder Judengasse" abzweigt. An dieser grenzen nördlich die "Judenstrass-Aecker", südlich der Waldstücke Nr. 536 und Nr. 535, die im Kataster als "Großes Judenstrassholz" bzw. als "Kleines Judenstrassholz" eingetragen sind. Der links an beiden Waldstücken entlang laufende, in Nr. 535 endende Waldweg Nr. 536 1/2 ist im Kataster als "Judenholzweg" eingetragen (Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Sign. L Verm A Nr.3; ebd., S. 58.
Einen wichtigen Beitrag zur Inventarisierung des Friedhofs im weiteren Sinne stellte die Erforschung der Wege und Straßen dar, auf denen die Leichen aus den oft weit entfern­ten Gemeinden nach Georgensgmünd gebracht wurden. Da­bei handelte es sich in bestimmten Fällen, jedoch keineswegs immer, um jüdische Sonderwege, die, noch heute als , Juden­straße" oder als , Judenweg" bekannt, die fränkische Land­schaft durchziehen. Sie waren zu unterscheiden von den ebenfalls unter dem Namen „Judenweg" laufenden Strecken des Gebiets, die den jüdischen Händlern als kurze Verbindung zwischen zwei Orten dienten, dann auch von den „Juden­gassen" der Wohnorte. Außerdem waren sie streng zu trennen von den christlichen Leichenwegen, die in der Region exi­stierten. Bereits 1996 legte die Mitverfasserin zu diesem The­ma einen Beitrag vor, in dem sie die wichtigen Daten aus Kataster und Flurnamensammlung ausgewertet hatte. Der Verfasser ergänzte und korrigierte diese Textfassung ab 2003 nach weiterer Archivforschung, Überprüfung der geographi­schen Gegebenheiten im Gelände und Interviews mit Orts­ansässigen und fasste dann den Aufsatz im Sinne der genann­ten Unterscheidung von Wegetypen neu.

Die Konzeption des Bandes, die dem gängigen Schema von vergleichbaren in Inventaren behandelten Gegenständen ent­sprechen sollte, wurde dem Sondercharakter eines jüdischen Friedhofs entsprechend in zahlreichen Details modifiziert und um die genannten Beiträge zu den Steininschriften und den Bestattungsriten ergänzt. Die Anordnung der Einzelbeiträge und die Abfolge der Einzelteile in den Steinaufnahmen des Katalogs wurden vom Herausgeber festgelegt. Formal wurden in dem Band die für die gesamte Reihe geltenden Vorgaben befolgt wie u. a. die Erstellung eines einzigen umfassenden Registers und die Weglassung eines Literaturverzeichnisses - alle mehrfach zitierte Literatur ist im „Abkürzungsverzeich­nis" genannt.

Gegenüber allen anderen bisher erschienen Bänden der „Kunstdenkmäler von Bayern", die der christlichen Mehr­heitskultur gewidmet sind, weist das vorliegende Inventar dennoch beträchtliche Besonderheiten auf, die sich daraus er­geben, dass es sich hier um die erstmalige Darstellung eines Denkmals der vergangenen jüdischen Sonderkultur Bayerns handelt, deren Schwerpunkt in der Schrift und nicht im Bild liegt, wie dies gerade auch an den Grabsteinen in besonderer Weise sichtbar wird.

(Peter Kuhn / Karlheinz Hemmeter, ebd., S. 9 -11)

 

(Auszug aus: Egon Johannes Greipl, Generalkonservator, ebd., Vorwort, S. )

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