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Die Zukunft des portugiesischen Handels

Priuli gehörte zu jenen, die glaubten, dass die Portugiesen in der Lage sein könnten, das Rote Meer effektiv zu blockieren. Das könnte zu einem enormen Preisanstieg von Pfeffer und anderen Gewürzen im östlichen Mittelmeerraum führen, wäh­rend Lissabon zur selben Zeit von billigeren Gewürzen, die auf der übers Kap führenden Route, der Carreira da Índia, transportiert wurden, überschwemmt würde.
Abb. 5: Pfefferernte in Quilon, Südwest-Indien, in: Marco Polo, Livre des Merveilles, Maître de Boucicaut, Paris um 1411/12, Paris, Bibliothèque de France; ibid., S. 29.
Abb. 5: Pfefferernte in Quilon, Südwest-Indien, in: Marco Polo, Livre des Merveilles, Maître de Boucicaut, Paris um 1411/12, Paris, Bibliothèque de France; ibid., S. 29.

Quirini argumentierte anders, zweifellos unter dem Einfluss seiner kastilischen Infor­manten, die sich offenbar über die tatsächliche Macht und Fähig­keit ihrer portugiesischen Nachbarn recht abschätzig äußerten. Er unterrichtete seine Auftraggeber darüber, dass die portugie­sische Unternehmung in Asien die Regierungszeit des damaligen Monarchen Dom Manuel nicht lange überdauern würde, denn dieser König hätte sie seinen eher widerstrebenden Untertanen schlichtweg aufgenötigt. Quirini schloss mit den Worten: „Des­halb glaubt man, dass der Tod des Königs von Portugal der Anlass für das Scheitern dieser Reise (nach Asien) sein wird, und wenn nicht der Tod dieses Königs, dann der seines Nachfolgers, und deswegen denken viele, dass die besagte Reise zukünftig unsicher sein wird. Und in diesem Denken werden sie durch die vielen Unfälle bestärkt, die den Schiffen und Seeleuten auf dieser so langen von den Portugiesen eingeschlagenen Seeroute zustoßen; Unfälle von einer Art, dass schon jetzt nur wenige sich freiwil­lig auf diese Reise begeben, sowohl wegen der Krankheiten als auch wegen der hohen Gefahr des Schiffbruchs. Von den 114 Schiffen, die zwischen 1497 und I506 auf diese Reise gingen, sind nur 55 zurückgekehrt, 19 sind mit Sicherheit verloren, fast alle mit Gewürzen beladen; und von weiteren 40 ist nichts Genaues bekannt.“ (11)

Große letzte Worte, könnte man sagen, wäre dieselbe Ansicht nicht mehr als zwei Jahrzehnte später von einem anderen vene­zianischen Gesandten nach Spanien, Gasparo Contarini, wieder­holt worden. Contarinis Begründung unterschied sich allerdings etwas von jener Quirinis, auch wenn bei beiden übereinstim­mende Argumente zu finden sind, vor allem in Hinsicht auf die relative Armut Portugals (»quel re abbia assai minor soma di denaro«, schrieb Contarini) und den Hass der Asiaten gegen­über den Portugiesen. Contarini verwies jedoch auch auf andere Aspekte, so auf den unglücklichen Ausgang der ersten portugiesischen Begegnungen mit dem China der Ming, bei denen fünf Schiffe verlorengingen, auf die zunehmende Tendenz bei den Asiaten, “sich zu Experten in der Seefahrt und Kriegsführung zu entwickeln“, auf die Tatsache, dass König Dom João III. auf­grund seiner Jugend weniger fähig als sein Vater sei, und schließ­lich auf die internen Streitigkeiten unter den portugiesischen Kapitänen in Asien („già quelli suoi capitani che ha in le Indie cominciavano fra loro a competere“). (12)

Quirini hatte zwei Jahrzehnte zuvor über das hinaus, was er bei Marco Polo gelesen hatte, vermutlich wenig oder gar nichts über China gewusst; und auch das notorische Problem der unterschiedlichen Interessensgruppen (oder bandos) unter den Portugiesen in Asien, das schon 1507 bei den Vorkommnissen rund um Albuquerques Expedition nach Hormuz offensichtlich wurde, blieb in seiner Analyse unerwähnt. Genau genommen konzentrierte sich Quirini, wie auch die meisten portugiesischen Schreiber im Jahr 1506, im Wesentlichen noch auf die Geopolitik im westlichen Indischen Ozean, also auf das Dreieck zwischen Ostafrika, den sogenannten Estreitos oder Meerengen (gemeint sind das Rote Meer und der Persische Golf) und Westindien. Unter diesen drei Gegenden galt seine größte Aufmerksamkeit natürlich Westindien, dem Gebiet, aus dem der meiste Pfeffer kam (Abb.5).

Ihm war aber auch bewusst, dass es noch zwei Nebenschau­plätze des Interesses gab. Zum einen den Küstenstreifen zwi­schen Kochi (Cochin), Kalikut (heute Kozhikode) und Kanna­nor (heute Kannur), mit dem Gama und Cabral auf ihren ersten Reisen umfangreichen Kontakt gehabt hatten. Zum anderen hatte Quirini auch von einem weiteren großen Zentrum erfah­ren, und zwar „einem Ort namens Batacala (Bhatkal) der der erste heidnische Ort an dieser Küste ist, in dem über 3000 cantara Pfeffer produziert werden, wobei die gesamte Produk­tion in die Hände der Mauren gelangt“. Quirini benutzte hier das Wort „erste“ (il primo), weil seine geistige Reiseroute ihn von Nord nach Süd entlang der indischen Küste führte und er den Übergang zwischen den muslimischen Dekkan-Sultanaten (die in seiner Vorstellung ein Königreich waren, il regno di  Cane) und einem heidnischen Vijayanagara, das er mit il regno di Narsi (vom Namen des Königs Narasimha aus dem 15.Jahrhundert) bezeichnete, im Sinn hatte.

Abb.  6: Der hinduistische Kriegsgott Skanda, Vijayanagara-Stil, Indien, 15./16. Jahrhundert, Kat.-Nr. VI.10; ibid., S. 30.
Abb. 6: Der hinduistische Kriegsgott Skanda, Vijayanagara-Stil, Indien, 15./16. Jahrhundert, Kat.-Nr. VI.10; ibid., S. 30.

Für Quirini hing die Zukunft des portugiesischen Handels in Asien entscheidend vom Gleichgewicht zwischen diesen beiden Staaten ab, die er sich beide sehr viel größer vorstellte, als sie tatsächlich waren. Denn das Dekkan-Königreich begann seiner Ansicht nach „am Mar Persico und erstreckt sich auf dem Land bis zum Königreich Kalikut“, während Vijayanagara sei­nerseits „am Königreich von Kalikut anfängt und bis zu den Grenzen von Malakka reicht“. Außerdem war Vijayanagara bzw. „Narsi“ seiner Meinung nach deshalb am wichtigsten für die Lieferung von Pfeffer, weil es „an drei Seiten ans Gebirge grenzt, wo Pfeffer angebaut wird, und eine gemeinsame Grenze von fast 200 km mit dem Königreich Kalikut hat, mit dem es eine große Freundschaft und Verwandtschaft unterhält, wie die Portugiesen beteuern“. Ein festes Bündnis zwischen Kalikut und Vijayanagara gegen die Portugiesen hätte daher den Pfefferliefe­rungen ein Ende bereiten können.

Denn, so schreibt Quirini: „Obwohl die Besitzer des Pfeffers diesen sehr bequem auf dem Fluss nach Kannanor und Kochi transportieren können, wäre nichts leichter für den König von Kalikut, sowohl zu seinem eigenen Vorteil als auch zum Schaden der von ihm gehassten Portugiesen, als den König von Narsi, der - wie jedermann bestätigt - ein mächtiger Herrscher, sein Nachbar, Freund und Verwandter ist, dazu zu bringen, den Transport des Pfeffers auf dieser neuen Route zu unterbinden und ihn stattdessen wie früher nach Kalikut transportieren zu lassen. Dies könnte der König von Narsi problemlos tun, da sein Land das Gebirge, auf dem der Pfeffer angebaut wird, auf drei Seiten umrandet und der König dieses Gebirges (il re di quella montagna) ihm untertan ist. Und genau das fürchtet der König von Portugal mehr als alles andere und versucht deshalb mit allen Mitteln, dass dieser König ihm wohlgesonnen und als Freund erhalten bleibt, so dass er den Pfeffer nicht nach Kalikut umleitet, von wo er (Dom Manuel) kein einziges Korn zu er­warten hätte. Und aus diesem Grund glaubt man, dass die Reise der Portugiesen (il viaggio de' Portughesi) eher unsicher ist, denn sie hängt vollständig von der Entscheidung des Königs von Narsi ab (per esser solamente fondato in testa del re di Narsi), der ihnen ohne große Anstrengung den Pfeffer aus den Händen reißen und damit ihre Reise vollkommen ruinieren könnte.“(13)

Auch das ist wieder eine etwas merkwürdige Vorstellung, wobei Quirini den portugiesischen Begriff Serra (wörtlich Ge­birge; gemeint waren die Westghats) nicht ganz korrekt mit Montagna übersetzt und die Pfefferproduktion so zu einer geografisch begrenzteren Aktivität macht, als sie in Wirklichkeit war. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, inwieweit obige Beschreibung nicht eher Quirinis eigener Deu­tung entsprach als der Sichtweise der portugiesischen Krone und ihrer Unterhändler. War es tatsächlich so, dass diese Vija­yanagara als den Schlüssel zum Pfefferhandel ansahen und daher natürlich auch als Garanten für den Fortbestand der Kaproute selbst?

 

(ibid., S. 29-30)

 

Dom Francisco de Almeida ...

 

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